TTIP dient unserem Wohlstand

22.06.2016

Der nordsächsische Bundestagsabgeordnete Marian Wendt (CDU) plädiert für eine ausgewogene und sachliche Haltung zu TTIP

BERLIN. Freier Handel ist eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für unseren wirtschaftlichen Erfolg und damit für den Erhalt von Arbeitsplätzen, Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in Europa und vor allem in Deutschland. Wohlstand und Fortschritt sind mittlerweile ohne Freihandel undenkbar. Wir profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen.

Die Europäische Union ist der weltweit größte Exporteur und Importeur von Waren und Dienstleistungen sowie einer der wichtigsten Investoren und Empfänger von Investitionen. Unser Handelsvolumen mit dem Nicht-EU-Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert von dieser Entwicklung in besonderem Maße. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt („Exportquote“) liegt bei rund 51 Prozent; das bedeutet, dass wir über die Hälfte unserer im Land produzierten Waren ins Ausland verkaufen. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen 1,385 Billionen Euro alleine im Jahr 2013.

Bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung am 19. Mai 2016 im Landratsamt Nordsachsen berichteten Vertreter der nordsächsischen Wirtschaft wie schwer, „mitunter unerträglich“ es momentan ist, für kleine und mittlere Unternehmen in den USA Fuß zu fassen. Selbst kleinste Aufträge seien mit Papierbergen verbunden. Bei uns in Nordsachsen gibt es viele Firmen, die aufgrund ihrer Exporte die Vertiefung der transatlantischen Handelspartnerschaft dringend benötigen. Die Torgauer Maschinenbau (TMB) GmbH ist dafür ein gutes Beispiel: Im Zeitraum von Ende des Jahres 2013 bis heute hat die TMB Maschinen und Anlagen im Wert von 2,2 Millionen EUR direkt und indirekt in die USA exportiert. Dabei mussten spezielle Ausführungen nach USA-Standards bzw. Normen gefertigt werden, wodurch die Kosten gestiegen sind. Ein gegenseitiges Anerkenntnis von Normen und Fertigungsstandards würde hier Kosteneinsparungen und Arbeitsplatzsicherheit in Torgau und der Region bedeuten.

Gerade auch in der deutschen Öffentlichkeit werden derzeit vielfach Befürchtungen laut, dass durch die laufenden Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen (z. B. TTIP, CETA, TiSA) bewährte Standards etwa in den Bereichen Arbeitnehmer-, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, kommunale Daseinsvorsorge und kulturelle Vielfalt gefährdet würden.

Tatsache ist jedoch, dass gerade im Gegenteil Abkommen wie TTIP Europa und seinen Verhandlungspartnern die möglicherweise letzte Chance bieten, auch im 21. Jahrhundert hohe Standards in wichtigen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien oder den ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien im globalen Maßstab zusehends schwieriger. Mit TTIP und CETA können die EU, die USA und Kanada ihre – im weltweiten Vergleich nach wie vor sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen bzw. für ein globales Freihandelsregime machen. Nutzen wir diese Chance als Europäer nicht, so werden andere Länder diese Standards setzen – dann aber ohne jede Einflussmöglichkeit für Europa oder Deutschland. Ein erster Anhaltspunkt für diese Entwicklung ist die geplante Transpazifische Wirtschaftspartnerschaft (TPP) zwischen den USA und Pazifik-Anrainerstaaten, bei der die Verhandlungen schon wesentlich weiter fortgeschritten sind, als die TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU.

Deutschland setzt sich erfolgreich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selbst festlegen. TTIP etwa dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat.

Das bestehende hohe europäische Schutzniveau in verschiedenen Bereichen steht nicht zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit unserer Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.

Ausdrücklich wird in dem Textentwurf festgehalten, dass das Recht der Staaten, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls zu erlassen, durch diese Kooperation in keiner Weise eingeschränkt wird, d.h. es wird selbstverständlich auch weiterhin möglich sein, nationale Gesetze (z.B. zum Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz) zu erlassen, ohne dass dazu eine Zustimmung des Handelspartners erforderlich ist. Ebenso ist klar geregelt, dass öffentliche Leistungen wie z.B. Wasser, Strom, Nahverkehr usw. auch weiterhin unter Kontrolle der jeweilig öffentlichen Träger, also der Kommune oder des Landes stehen.

Zum Thema Investitionsschutz: Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits rund 1400 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon allein 198 EU-interne Abkommen. Dabei kann ich nicht feststellen, dass die Standards aufgeweicht, sondern durchgesetzt wurden. Die demokratischen Entscheidungsbefugnisse des Bundestages oder anderer europäischer Parlamente wurden in keiner Weise durch diese Abkommen tangiert und wir als Parlamentarier sind immer "Herr" des Verfahrens.

Zu der Befürchtung, es handele sich bei TTIP um Geheimverhandlungen, lässt sich feststellen, dass die EU-Kommission regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess informiert. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Diese Unterlagen sind seit dem Beginn online verfügbar. Damit ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt.

Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika bietet die Chance, auch im 21. Jahrhundert hohe Standards in wichtigen Bereichen im gegenseitigen Einvernehmen mit unserem wichtigsten Handelspartner zu setzen, wie zum Beispiel im Arbeitnehmer- oder Verbraucherschutz. Es ist im Übrigen unredlich, Zwischenstände aus den Verhandlungen zu bewerten. Die Bundesregierung und die EU-Kommission kennen die öffentlichen Stimmungen sehr gut und wissen um die Mehrheiten im Parlament. Sie werden sicherlich kein Abkommen verhandeln, welches nicht die nötige Mehrheit bekommen wird, das war bei den bisherigen über 1000 Abkommen auch der Fall. Wenn das Ratifizierungsgesetz dem Bundestag vorliegt, werde ich mich als Bundestagsabgeordneter im parlamentarischen Verfahren mit der nötigen Sorgfalt und in fachlicher Tiefe mit dem Vertrag zum Wohle unserer Bürger und für die Zukunft unseres Landes auseinandersetzen.