Bundespolitiker Marian Wendt greift an

07.10.2017

Im Interview mit der LVZ sprach Marian Wendt über das Wahlergebnis, die neue Macht in Sachsen und zukünftige Politik in der CDU.

Im Interview mit Frank Pfütze von der Leipziger Volkszeitung sprach Marian Wendt über das Ergebnis, die neue Macht in Sachsen, zukünftige Politik in seiner Partei und die Zeit bis zur Kreistags- und Landtagswahl 2019 in Sachsen.

Überwiegt bei Ihnen drei Wochen nach der Wahl die Freude über den Wiedereinzug in den Bundestag oder der Schock über das Ergebnis in Sachsen?

Beides, die persönliche Freude, dass ich mit sechs Prozent Vorsprung meinen Wahlkreis Nordsachsen gewonnen habe. Ich bin aber auch geschockt, weil sich dieses Wahlergebnis so für mich nicht abgezeichnet hat.

Aber Sie haben schon mit der AfD gerechnet?

Diese hohen AfD-Zahlen schockieren mich, weil ich in sehr vielen Gesprächen mit den Nordsachsen diesen Groll, dieses Unbehagen, diese Proteste nicht gespürt oder so stark wahrgenommen habe.

Sie haben flächendeckend zweistellig an die AfD verloren. In einigen Gemeinden sind Sie nur Zweiter. Wie peinlich ist Ihnen das Wahlergebnis, welche Vorwürfe machen Sie sich?

Ich habe mich natürlich gefragt, was habe ich verkehrt gemacht? Konnte ich alle Menschen erreichen? Ich weiß jetzt, dass es nicht so ist. Ich muss noch stärker zeigen, wir als CDU sind bei euch, wir sind eine Volkspartei. Wir sind nicht nur auf den Marktplätzen der großen Städte sondern kommen auch in den Dorfgasthof, gehen in Vereine und hören zu. Und da gibt es auch bei mir Potenzial nach oben, meine Präsenz vor Ort zu optimieren und den richtigen Eindruck zu vermitteln, dass ich genau so ein Teil der Bevölkerung bin.

Sie sitzen seit vier Jahren im Bundestag, hätten schon viel tun und richtig machen können. Wo wollen Sie angreifen?

Wir müssen wichtige Infrastrukturprojekte vorantreiben, Bahntrassen, Breitbandausbau, Straßenbau, insbesondere Ortsumfahrungen, die Bundesstraßen 87,  169 und 2, um einige zu nennen. Da ärgert es mich, wie lange das mitunter dauert, wie lange die Wellauner um ihre Ortsumfahrung kämpfen. Da müssen wir in Zukunft Bürokratie abbauen und viel stärker dafür kämpfen, das solche wichtigen Projekte auch mal schneller entschieden werden.

Statt dessen wird für Flüchtlinge schnell viel getan ...

Klar, kann ich verstehen, wenn die Leute so denken und sagen, ‚es reicht‘. Für alle seid ihr da, auch für Flüchtlinge. Für die hier arbeitende Bevölkerung tut ihr zu wenig oder tut ihr es zu langsam.

Erklärt das das Wahlergebnis für Sie ein wenig?

Sicherlich. Ich hoffe, dass durch dieses Ergebnis den Verantwortungsträgern auf allen Ebenen bewusst wird, dass wir alle zusammenarbeiten müssen. Besser als bisher. Und das Proteste ansonsten programmiert sind.

Nun hat die neue stärkste Kraft ja nicht gerade mit Infrastruktur-Themen gepunktet. Vor allem die Flüchtlingspolitik und Sicherheit hat die AfD für sich nutzen können. Wie erklären Sie sich das?

Die Menschen hier wollen stabile und geordnete Verhältnisse. Sie wollen nicht, dass fremde Kulturen ihnen ihre Errungenschaften wegnehmen oder streitig machen. Wenn Deutschland sagt, ‚kommt alle‘, dann sehen sie das in Gefahr. Europäische Grenzen müssen geschützt und Flüchtlinge auf alle EU-Staaten verteilt werden. Die AfD hat versucht, Zukunftsängste zu wecken. Die Menschen haben Sich zu wenig bis gar nicht mehr wahrgenommen gefühlt vom Staat.

Woran machen Sie das fest?

Die Menschen empfinden zum Beispiel, dass die Grenze geöffnet wird und etwas Unkontrolliertes passiert. Daraus wächst Protest. Ich glaube nicht, dass der Protest auf der Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Lage beruht.

Glauben Sie dennoch, dass die Menschen in Nordsachsen Ängste haben?

Die Zukunftsfrage ist sehr wichtig. Bleibt es so?  Was ist in fünf Jahren? Menschen, die etwas erreicht haben, haben auch Abstiegsängste.

Was heißt das für Sie?

Wir müssen klar sagen, wo unsere Schwerpunkte liegen und dass wir für die Menschen da sind, dass wir verstanden haben und besser zuhören und Sicherheit geben wollen. Auch das ist Motivation für meine Arbeit.

Sehr viele Deutsche wollen ganz offensichtlich nicht so viele Flüchtlinge in ihren Dörfern und Städten begrüßen und sind da anderer Meinung als Frau Merkel. Darf sich eine Regierung darüber hinwegsetzen?

Die Deutschen, die Sachsen sind gastfreundlich und hilfsbereit. Es geht nicht um die ausgebombte Familie aus Syrien, die vor Bomben und IS-Terror geflohen ist, sondern um die gefühlt vielen jungen Männer aus Afrika, um Wirtschaftsflüchtlinge. Da unterscheiden die Menschen hier klar. Die können auch nicht unsere Hilfe bekommen. Wir können hier nicht alle Wirtschaftsflüchtlinge der Welt aufnehmen.

Genau das empfinden sehr viele  Nordsachsen aber so. Was heißt das für Sie?

Wir müssen da klare Botschaften senden. Wie Bundespräsident Gauck sagte, ,unser Herz ist weit, unsere Möglichkeiten sind begrenzt’. Genau so müssen wir damit umgehen und dass muss auch kontrolliert werden.

Wie soll das in der Praxis aussehen?

Die ausgebombten Syrer können wir mit Flugzeugen, Visum, Pässen nach Deutschland für eine Zeit holen. Unkontrollierte Grenzübertritte darf es nicht mehr geben.  Es gibt zudem einige wenige, die ihren Gaststatus missbrauchen und Gewalttaten verüben, morden, vergewaltigen. Dagegen muss vorgegangen werden. Nur wer Hilfe benötigt, darf sie hier auch bekommen.

Da haben Sie ja mit der AfD einen Partner?

Die AfD ist für mich kein Partner, sondern eine populistische und völkische Partei. Sie wird nun auch Verantwortung tragen. Ich werde das kontrollieren und sie wie alle anderen Parteien behandeln. Bisher gab es ja vor allem nur Worte und Polemik.

Wie nah sind da FDP und vor allem Grüne an der CDU/CSU dran?

Über ein, ich nenne es mal Einwanderungsgesetz, müssen wir die Wirtschaftsmigration kontrollieren. FDP und Grüne wollen die AfD nicht weiter stärken.  Wir haben das gemeinsame Ziel, das Vertrauen der Wähler zurück zu gewinnen.

Was sind für Sie die Kernthemen der zukünftigen Politik?

Mehr Polizisten und damit Sicherheit, mehr Ärzte und Lehrer, ordentliche Schulen und medizinische Versorgung, Infrastruktur - insbesondere im ländlichen Raum. Es gibt viele offene Baustellen, die wir endlich mal durchziehen müssen.

In zwei Jahren wählen die Sachsen neben dem EU-Parlament ihre Kreistage und den Landtag. Mit wie viel Sorge gucken Sie auf 2019?

Wir haben bis dahin das klar definierte Ziel, wieder stärkste Kraft in Sachsen zu werden, den Ministerpräsidenten und die Landräte zu stellen. Wir müssen bis dahin glaubwürdig vermitteln, dass wir uns um die Probleme der Menschen hier kümmern. Durch klare Handlungen, beispielsweise mehr Polizisten auf der Straße zeigen, dass wir an den Menschen dran sind. Die Menschen wollen, dass die Grenzen kontrolliert werden. Wir müssen beenden, dass immer alles nicht geht und zu lange dauert.

Mit Stanislaw Tillich und Angela Merkel an den Spitzen?

Ja. Ich halte nichts von den Rufen nach Austausch. Ich würde es begrüßen, wenn die beiden junge Leute, frisches Blut, an die Seite bekommen würden. Wir haben einen Schlag in die Magengrube bekommen. Wir sind für vier Jahre gewählt, nun geht es darum, alles zu tun, dass es gute Jahre für Deutschland werden.

 

Der Original-Artikel wurde am 07. Oktober 2017 in der LVZ veröffentlicht und wird hier auszugsweise mit freundlicher Genehmigung wiedergegeben.