Sehr geehrter Herr Marian Wendt,
Obwohl es sich so anfühlt, als wäre es erst wenige Wochen her, dass ich Deutschland verlassen habe, sind es doch schon vier Monate, die ich hier in South Dakota im Mittleren Westen der USA verbracht habe. Vor vier Monaten habe ich mich von meiner Familie verabschieden müssen und bin mit einem weinenden aber vor allem mit einem lachenden Auge in einen neuen, aufregenden Abschnitt meines Lebens gestartet.
Begonnen hat das Abenteuer morgens um vier am Flughafen Leipzig/Halle, wo ich meinen 27 Stunden Trip schon müde startete, da ich in der Nacht zuvor bereits kaum Schlaf bekommen hatte. Zunächst ging es für mich nach Frankfurt und von dort aus weiter mit dem zweitgrößten Passagierflugzeug der Welt 9 Stunden über den Atlantik nach Chicago und dann weiter zum Regionalflughafen Sioux Falls. Ich hatte es geschafft. Endlich konnte ich den Boden der USA betreten und wurde direkt von meiner Gastfamilie und meiner Area Koordinatorin in Empfang genommen. Müde, aber glücklich endlich angekommen zu sein, fuhren wir zu dem Haus, welches jetzt bereits für vier Monate ein neues zu Hause für mich geworden ist.
In den nächsten Tagen hatte ich die Gelegenheit, neben wenigen organisatorischen Terminen schon die ersten amerikanischen Erfahrungen zu sammeln. Bereits am ersten Wochenende ging es für meine Familie und mich dabei zu einer beeindruckenden Airshow der US Air Force, die für mich nicht nur die beeindruckende Technik des US Militärs sondern vor allem auch den Militärstolz und Respekt gegenüber des Militärs gezeigt hat, der meiner Meinung nach an vielen Stellen in Deutschland auch angebracht wäre.
Wenige Tage später startete für mich die High School. In der Schule wurde ich von vielen netten und sehr interessierten Mitschülern empfangen und konnte so gleich in all meinen gewählten Kursen durchstarten. In Literature, meine erste Stunde jeden Tag, lesen wir amerikanische Bücher und es bietet sich mir so die Möglichkeit, über die amerikanische Literaturgeschichte zu lernen, die interessante Themen wie etwa Native American Literature oder aber auch die Declaration of Independence beinhaltet. In meiner zweiten Stunde habe ich Physik gefolgt von American Government in der dritten Stunde. Es ist spannend in Government nicht nur über die Struktur der Amerikanischen Regierung sondern auch über die verschiedenen Ansichten und Meinungen, die Amerikaner zu unterschiedlichen Themen haben, zu lernen. Nach Government habe ich zusammen mit nur einer Mitschülerin Französisch bevor es für mich zu meinem Lieblingsfach Universitäts Calculus geht. Nach Calculus folgt zunächst eine Mittagspause, bevor sich die sechste Stunde Engineering and Architecture anschließt. Architektur ist nur eine der vielen verschiedenen, für mich als Deutschen unkonventionell erscheinenden Kurse an meiner High School. Neben Architektur gibt es unter anderem auch Robotik, Töpferei, Band, etc.
Study Hall die siebente Stunde, bietet mir die Möglichkeit, meine Hausaufgaben zu erledigen oder im Deutschunterricht meinen Lehrer zu unterstützen.
Der Schultag endet mit American History. Wie der Name sagt, erfahre ich hier viel über die Geschichte der USA, wobei der Fokus in meiner Region besonders auf Native American history gelegt wird.
Wenn man das Amerikanische Schulsystem mit dem Unseren vergleicht, lassen sich immense, generelle Unterschiede feststellen. Angefangen beim Stundenplan welcher jeden Tag die gleichen acht Fächer beinhaltet während er sich in Deutschland nur jede Woche wiederholt. Das kann sowohl von Vorteil, aber auch von Nachteil sein. Der große Vorteil, den ich in diesem System sehe ist, dass man besser an bestimmten Themen arbeiten kann, da man nicht aus dem Unterrichtsstoff herauskommt. Hilfreich erscheint mir der Stundenplan vor allem bei den Fremdsprachen, welche man so besser im Hinterkopf behält. Der Nachteil von diesem System ist jedoch, dass die Fächervielfalt innerhalb eines Semesters auf acht Fächer begrenzt ist und dass man, wenn man ein Fach nicht mag, es dennoch jeden Tag belegen muss.
Ein weiterer Unterschied ist die Anzahl unkonventioneller Fächer. Wie bereits aufgeführt, gibt es allerhand solcher Fächer, was für mich davon zeugt, dass das Amerikanische Schulsystem viel mehr auf Kreativität und auf Vorbereitung für das Berufsleben ausgelegt ist, als unser System in Deutschland. Außerdem ist anders als in Deutschland die sekundäre Bildung nicht in drei unterschiedliche Schulen aufgeteilt, sondern jeder Schüler besucht unabhängig von seinem Bildungsniveau die selbe High School. Das schafft zwar mehr Gleichheit zwischen den Schülern sorgt aber auch dafür, dass die Bildungsstandards teilweise gesenkt werden müssen, um jeden Schüler einen High School Abschluss zu ermöglichen.
Der Vierte und wahrscheinlich größte Unterschied der beiden Schulsysteme ist der “Schoolspirit”, der Schulgeist den es hier an allen High Schools gibt. Die ganze Schule steht unter einem gemeinsamen Motto, einem gemeinsamen Farbschema und hat ein gemeinsames Maskottchen. Die Schüler sind stolz darauf, die Schulfarben zu tragen oder ihre Schule in verschiedensten Sportarten oder anderen außerschulischen Aktivitäten zu vertreten. Ich finde, dass an deutschen Schulen durch solch einen Schulgeist nicht nur eine bessere Lernatmosphäre aber auch mehr Sozialkompetenzen und Teamworkfähigkeit aufgebaut werden könnte. Alles in allem hat die Schule natürlich in meinem ersten Semester eine große Rolle gespielt. Was mein Semester bis jetzt aber einzigartig gemacht hat ist meine äußerst engagierte Gastfamilie, dank der ich bereits viele unglaubliche Erfahrungen sammeln durfte.
Unter anderem waren wir bereits im September (um das gute Wetter zu nutzen) beim weltberühmten Mount Rushmore in den Black Hills im Westen South Dakotas. Die beeindruckend großen Köpfe der Präsidenten Washington, Jefferson, Roosevelt und Lincoln ragen hier aus der Felswand und es ist selbst den Einwohnern dieser Region immer noch ein Rätsel wie man es zur damaligen Zeit geschafft hat, solch ein Kunstwerk zu errichten. Direkt auf dem Heimweg lag der Badlands Nationalpark, welcher mit seinen verschiedenfarbigen Gesteinststrukturen wahrscheinlich nur durch den Grand Canyon übertroffen werden kann.
Im Oktober ging es für uns dann auf einem 12 h Roadtrip gen Süden nach Oklahoma City, wo wir nicht nur das schöne Wetter genießen konnten sondern auch zu einer Familienhochzeit eingeladen waren. Für mich war das ein besonderes Ereignis zumal ich noch nie zuvor überhaupt auf einer Hochzeit war.
Ein weiteres Highlight im Oktober stellte das sogenannte Germanist dar, wo ich zusammen mit meiner Gastmutter die amerikanische Version des Deutschen Exportschlagers Oktoberfest erleben durfte. Es war sehr interessant, diese Interpretation live mit zu erleben und mit Amerikanern über die deutsche Kultur ins Gespräch zu kommen.
Trotz all dieser wunderbaren Erlebnisse sind es aber vor allem die kulturellen Ereignisse zusammen mit meiner Familie die für mich besonders spannend waren. So etwa die Footballspiele welche wir gemeinsam besucht haben oder aber auch Halloween, was hier vielmehr als eine Jahreszeit anstatt nur als ein einziger Feiertag praktiziert wird.
Besonders im Hinterkopf geblieben ist mir jedoch eines der wohl wichtigsten Feiertage der US-amerikanischen Kultur: Thanksgiving. Dieser Feiertag ist längst nicht mehr nur noch eine Form des Erntedankfestes. Thanksgiving ist vielmehr ein Tag, an dem die ganze Familie zusammenkommt. Es ist ein Fest der Familie, aber zugleich auch ein Fest an dem das Essen natürlich nicht zu kurz kommt. Neben dem berühmten Truthahn mit Gravey gibt es viele andere amerikanische Leckereien, wie Süßkartoffeln mit Marshmallows oder Brötchen mit Cranberry Marmelade zu genießen, sodass auch wirklich niemand zu kurz kommt.
Neben einer großartigen Familie konnte ich aber auch die Vorzüge des Parlamentarischen Patenschafts Programmes genießen, welches allen Stipendiaten ermöglicht für eine Woche nach Washington D.C. zu gehen um dort nicht nur an vielen interessanten Workshops teilzunehmen sondern auch das politische Zentrum der USA kennen zu lernen. Unsere Woche beinhaltete zudem einen Besuch der Deutschen Botschaft. Dort bot sich uns die Möglichkeit neben einem diplomatischen Planspiel auch mit Deutschen und Amerikanischen Diplomaten über deren Beruf und Verantwortungen ins Gespräch zu kommen. Außerdem standen Besuche vieler weltberühmter Denkmäler und Museen auf dem Plan wie zum Beispiel der Besuch des Lincoln Memorial und des Jefferson Memorial. Der weitaus beste Tag war jedoch, als wir die Möglichkeit hatten, die politischen Vertreter unseres amerikanischen Heimatstaates zu treffen. Für South Dakota konnte ich so sowohl mit einem unserer Senatoren (Mike Rounds) und mit unserem Congressman (Dusty Johnson) ins Gespräch kommen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die letzten Monate wohl zu den Ereignisreichsten meines Lebens gehören. Ich durfte viele Erfahrungen sammeln, eine neue Kultur mit all ihren Facetten entdecken, ein anderes Schulsystem erleben, viele neue Freunde finden, aber vor allem auch einen Teil der deutschen Kultur hier in die USA bringen. Es bleibt mir nur noch Danke zu sagen. Danke an meine deutsche Familie für das Unterstützen in allem was ich tue, Danke an meine amerikanische Familie für die herzliche Aufnahme. Vor Allem aber möchte ich Ihnen, Marian Wendt danke. Ohne Sie hätte ich diese Chance nie bekommen.
Viele Grüße aus South Dakota
Arthur
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