Reisebericht zur Delegationsreise der deutsch-italienischen Parlamentariergruppen zu Migration, Asyl und Flüchtlingen

05.06.2015

Nach Ankunft in Catania am Montag fanden Gespräche mit dem Präfekten und dem Vize-Bürgermeister von Catania statt, auf die eine Kranzniederlegung am Mahnmal für die ertrunkenen Flüchtlinge auf dem Friedhof von Catania folgte. Im Verlauf des frühen Abends besuchte die Gruppe ein „S.P.R.A.“, eine Unterkunft für Asylbewerber, in der diese bis max. sechs Monate nach Entscheid über ihren Antrag wohnen dürfen und in die Gesellschaft integriert werden. Am Abend fand ein Empfang auf der Terrasse der Hafenbehörde im Hafen Catanias unter Beteiligung des Staatsanwalts von Catania, des leitendem Polizeichefs, des dort stationierten Zolls und von Bürgermeister Enzo Bianco statt.

In den Gesprächen gewann ich den Eindruck, dass die italienische Verwaltung große Anstrengungen unternimmt, Flüchtlingen eine gute Erstversorgung zu bieten. Es ist dabei zu bedenken, dass etwa 90 Prozent aller Flüchtlinge, die über das Mittelmeernach Europa kommen, in Sizilien anlanden und in Siracusa, Augusta und Catania sowie Trapani erstbehandelt werden (2014: 170.000 Flüchtlinge und bis Mai 2015: 140.000 die über das Mittelmeer nach Europa gelangen). Flüchtlinge kommen zunächst mit Schiffen der Marine und der Guardia Costiera in den Häfen der genannten Städte an, werden dort durch das Rote Kreuz und anderen Dienste erstbetreut und weitergeleitet. Danach werden sie i.d.R. in das C.A.R.A. de Mineo, der sizilianischen Erstaufnahmeeinrichtung mit 3.700 dort im Prozess befindlichen Personen (Stand KW 22) gebracht. Laut Plan sollen Flüchtlinge binnen 72 Stunden medizinisch und erkennungsdienstlich behandelt und registriert werden, worauf die weitere Verteilung innerhalbd Italiens folgen soll. Der Zeitansatz wird aber regelmäßig nicht eingehalten, u.a. auch, da insbesondere die Nordregionen eine Unterbringung von Flüchtlingen in ihren Zuständigkeiten aus politischen Gründen ablehnen.

Vom C.A.R.A. de Mineo aus werden die Flüchtlinge nach einem nicht spezifizierten Schlüssel weiter auf die Kommunen verteilt, die über „S.P.R.A.s“ verfügen. Diese Verteilung erfolgt ad hoc, da es einen systematisierten Verteilungsmechanismus – wie in Deutschland mit dem Königsteiner Schlüssel – noch nicht gibt. 450 Kommunen halten italienweit „S.P.R.A.s“ mit insgesamt 22.000 Plätzen vor. Hiervon gibt es 1.300 Plätze allein in Sizilien. In der Summe sind derzeit 5.000 registrierte Flüchtlinge in Sizilien (Stand KW 22) untergebracht, wobei die Zahl der Nicht-Registrierten deutlich höher scheint. Es gibt darüber hinaus weitere, inoffizielle Einrichtungen, die Flüchtlinge unterbringen. Diese werden beispielsweise durch Caritas, Kirchen oder private Anbieter betrieben. Viele weitere Flüchtlinge leben als Obdachlose oder illegale Arbeitskräfte auf Bauernhöfen.

„S.P.R.A.s“ sind kleine dezentrale Wohneinheiten mit maximal 15 Personen und werden von Sozialarbeitern und anderen Kräften betreut. Es findet neben Betreuung auch eine Auszahlung von Taschengeld statt und es soll eine Integration in die Kommune erfolgen. Aus meiner Sicht funktionieren diese „S.P.R.A.s“ sehr gut. Allerdings sind insgesamt zu wenige davon vorhanden.

Ein Großteil der Flüchtlinge entzieht sich darüber hinaus einer Registrierung indem sie gen Norden weiter ziehen. Die Registrierung ist in Italien nicht per Gesetz vorgeschrieben und es besteht die Frage, welche Sanktionsmöglichkeit eine Pflicht unterlegen könnte. Die Sozialleistungen sind verhältnismäßig gering. Daher erzielt ein Entzug derselben keinen ausreichenden Druck.

Am Dienstag, 26. Mai 2015 begleitete die Gruppe die nationale Rettungsmission der italienischen Marine. Zuerst flogen wir mit einer C130 Herkules nach Lampedusa. Dann wurden wir mit Hubschraubern des Typs SH101 auf die Fregatte „F591 Fasan“ geflogen. Dieses Schiff ist das Führungsschiff der Mission Mare Sicuro. Dort hielt der die Mission leitende Admiral der italienischen Marine einen Lagevortrag über die Situation im Operationsgebiert vor den Küsten der Länder Tunesien, Ägypten und Libyen. Im Laufe des Tages wurde die Rettung von Flüchtlingen/Schiffbrüchigen und deren Unterbringung demonstriert. Mare Sicuro ist eine nationale Rettungsmission Italiens, deren Kosten die italienische Regierung in Höhe von sechs Mio. Euro pro Monat trägt. Derzeit sind im Rahmen dieser Rettungsmission fünf Schiffe, zwei Drohnen und fünf Hubschrauber im Einsatz.

Derzeit unterstützen weitere nationale Missionen aus Irland und Großbritannien mit je einem Schiff und Deutschland mit zwei Schiffen, der Fregatte Hessen und dem Einsatzgruppenversorger Berlin, die italienische Mission. Die Mission soll einerseits Flüchtlinge retten und Schleuser sowie Drogenhändler aufgreifen. Sie dient aber nicht der Grenzsicherung wie „Triton“. Meinem Eindruck nach ist es eine große Leistung, dass die von Italien koordinierte nationale Initiative nicht durch die EU organisiert wird, sondern durch bilaterale Zusammenarbeit geprägt ist. Die Erfolge können sich sehen lassen: Rettungen innerhalb des Operationsgebietes, dass in etwa ½ mal so groß ist wie Deutschland, obwohl sich meisten Rettungen nur auf einem Viertel des Gebietes konzentrieren, dauern im Regelfall ein bis drei Stunden ab Notruf; im Höchstfall sechs Stunden. Zügiges Handeln ohne große Diskussion ist ein Schlüssel zum Erfolg, wenn es um Menschenleben geht. Ein weiterer Erfolg dieser Zusammenarbeit ist, dass sich Italien besser auf die Grenzsicherung konzentrieren kann.

Insgesamt wäre meines Erachtens eine Verstärkung der dortigen militärischen Kräfte der EU sinnvoll. Wenn es aber nicht dazu kommen kann, dann ist bilaterale Zusammenarbeit sehr zweckmäßig wie die aktuelle Zusammenarbeit zeigt, Weiterhin werden von italienischer Seite die Willkommenszentren im Maghreb sehr unterstützt, was ich ebenfalls richtig finde. Durch sie müssten Flüchtlinge den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nicht auf sich nehmen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass alle Flüchtlinge in den Norden wollen, da er wirtschaftlich stärker ist. Eine nachhaltige Verteilung der Flüchtlinge ist erst dann sinnvoll, wenn Sozialleistungen angeglichen werden.