
Im Moment erreichen mich viele Fragen zum geplanten Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Außerdem werden von verschiedenen Gruppierungen gezielt falsche Informationen verbreitet. Daher möchte ich an dieser Stelle einige Fragen beantworten.
- Warum ist ein neues Schutzgesetz notwendig? Warum ist das Infektionsschutzgesetz in der bisherigen Fassung nicht ausreichend?
Das bisher geltende Gesetz ist nicht auf eine solche dauerhafte pandemische Lage von nationaler Tragweite ausgerichtet. Daher ist es richtig, das Infektionsschutzgesetz weiterzuentwickeln. Es werden Klarstellungen und Ergänzungen vor.
- Was soll sich ändern?
In dem ausschlaggebenden Paragrafen 28 des Infektionsschutzgesetzes wird ein Paragraf 28a angefügt, der in 17 Ziffern all jene Einschränkungen von Grundrechten aufzählt, die unter bestimmten Umständen erlassen werden dürfen. Die lange Liste enthält unter anderem: die Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum, die Maskenpflicht, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, die Untersagung und Beschränkung von Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, das Untersagen oder Beschränken des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, oder von gastronomischen Einrichtungen. Möglich ist auch die Anordnung der Schließung von Betrieben, Gewerben sowie des Einzel- und Großhandels. Auch die Untersagung oder Beschränkung von Reisen gehört zum Katalog möglicher Maßnahmen.
- Gibt es das Demonstrationsrecht dann nicht mehr?
Die Neufassung sieht Beschränkungen vor, die nur zulässig sind, „soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit Covid 19 erheblich gefährdet wäre“. Dazu zählen ausdrücklich „die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 Grundgesetz“ (Versammlungsfreiheit) und Ausgangsbeschränkungen.
Die Erfahrungen bei der Querdenker-Demonstration z.B. in Leipzig haben gezeigt, dass klarere Einschränkungen notwendig sind. Eine Demonstration mit 20.000 Menschen, großteils ohne Abstände und Masken, zu genehmigen ist unverhältnismäßig, wenn zeitgleich Millionen Menschen ihre Kontakte größtmöglich beschränken müssen. Mit der Neuformulierung geben wir nun einen festen Rahmen vor, sodass sich die Gesundheitsbehörden auf einem sicheren rechtlichen Boden bewegen.
- Werden Gesetze und Verordnungen zeitlich unbegrenzt erlassen?
Nur die jeweiligen Länder können Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen erlassen. Die Vorschriften sind nun zu begründen und zeitlich auf vier Wochen zu befristen. Der Deutsche Bundestag kann diese Vorschriften als Gesetzgeber jederzeit per Gesetz ändern. Sämtliche Maßnahmen auf Grundlage der epidemischen Lage enden automatisch am 31. März 2021 oder wenn der Deutsche Bundestag die epidemische Lage davor für beendet erklärt.
- Werden Grundrechte abgeschafft?
Der Gesetzentwurf enthält keinerlei Regelung zur Abschaffung von Grundrechten. Bei allen Maßnahmen müssen die Verhältnismäßigkeit gewahrt und „soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit“ berücksichtigt werden.
- Was ist mit dem Vorwurf, es handele sich um ein Ermächtigungsgesetz? Dem Bundesministerium für Gesundheit würden angeblich uneingeschränkte Vollmachten zum Erlass von Rechtsverordnungen und grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen erteilt.
Die Länder sind auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dazu befugt, Schutzmaßnahmen zu erlassen (§ 28 IfSG). Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden diese Befugnisse im neuen § 28a IfSG präzisiert und klarer gefasst. Unter anderem ist in § 28a Abs. 1 ein Beispielkatalog von Maßnahmen aufgeführt: Beschränkungen von Versammlungen und religiösen Zusammenkünften, Ausgangsbeschränkungen, Betretungsverbote für Altenheime etc. dürften nur unter besonderen Voraussetzungen verfügt werden. Zudem werden in Abs. 3 Schwellenwerte für die Intensität der Schutzmaßnahmen verankert. Sofern Verordnungsbefugnisse für das Bundesministerium für Gesundheit bestehen, existieren diese nur in einem bestimmten Bereich und nur so lange, wie eine epidemische Lage gegeben ist. Dem Deutschen Bundestag ist es zudem jederzeit möglich, höherrangiges Recht zu verabschieden. Uneingeschränkte Befugnisse existieren nicht.
- Gibt der Deutsche Bundestag das Verfahren der Corona-Bekämpfung aus der Hand und beteiligt sich nicht mehr?
Der Deutsche Bundestag hat sich von Beginn des Pandemiegeschehens an gesetzgeberisch mit der Corona-
Bekämpfung beschäftigt, insbesondere durch die Verabschiedung der ersten beiden Bevölkerungsschutzgesetze und zahlreicher Hilfspakete. Der Bundestag hat rund 30 Corona-Gesetze beschlossen und ca. 70 Debatten geführt.
- Gibt es unbegrenzte Handlungsvollmachten?
Es gibt keine unbegrenzten Handlungsvollmachten. Die Parlamente sind jeweils zur Entscheidung befugt und berufen. Im neuen § 28a Abs. 5 IfSG wird geregelt, dass alle Maßnahmen der Länder zu begründen und zeitlich zu begrenzen sind. Die Möglichkeiten der Maßnahmen der Länder werden begrenzt durch den neuen § 28a IfSG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
- Ist die epidemische Lage nicht definiert? Herrscht deshalb Rechtsunsicherheit.
Im Dritten Bevölkerungsschutzgesetz wird in § 5 IfSG eine Definition der epidemischen Lage gesetzlich
verankert. Eine solche liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil:
- die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite
ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die
Bundesrepublik Deutschland droht oder
- eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.
Mit einem entsprechenden Antrag wird der Deutsche Bundestag feststellen, dass eine solche Lage derzeit
weiterhin besteht. Die tatsächlichen Voraussetzungen liegen vor.
- Wird mit dem Gesetzentwurf eine Impfpflicht und ein Covid-Immunitätsausweis durch die Hintertüreingeführt?
Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen zu einer Impfpflicht oder einem Immunitätsausweis.
- Ermöglicht der Gesetzentwurf ein staatliches Eindringen in die Privatsphäre und Kontrollen in Privaträumen?
Der Gesetzentwurf ermöglicht weder ein Eindringen in die Privatsphäre noch in die Wohnung. Es werden in jedem Gesetzentwurf die Rechte benannt, die mit dem Gesetz beeinträchtigt werden. Das Recht auf "Unverletztlichkeit der Wohnung" (Artikel 13 Absatz 1 und 7 GG) wird bereits beeinträchtigt, wenn Kontakte beschränkt werden sollen. Deshalb wird dieses Recht im neuen Entwurf benannt. Ansonsten enthält der Gesetzentwurf keine zusätzlichen Berechtigungen für Behörden, die sie nicht bereits bspw. im Rahmen der Polizeiverordnungen haben.
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