
Kaum zu glauben, doch es ist bereits mehr als ein Jahr her, seit ich das erste Mal amerikanischen Boden betreten habe und mich zu dem Menschen entwickelt habe, der ich heute bin.
Am 22. August 2014 begann die große Reise und damit auch ein neues Leben für mich, meine Familie und diejenigen, die bald, zwar nicht über Blut, aber über Herz mit mir verwandt sein würden. Williamsburg, Michigan hieß das große, oder doch eher kleine, aber feine Ziel meines Traumes. Um Punkt 24:00 Uhr bin ich im Traverse City Airport gelandet, erschöpft, hungrig und total übermüdet. Anfangs hatte ich extreme Angst, ich würde sie nicht auffinden, die Frau, die ich heute liebevoll host mommy nenne, doch als alle meine Mitreisenden verschwunden sind, sah ich sie. Marian Saur, meine Gastmutti mit drei Ballons in der Hand und dem strahlendsten Lächeln überhaupt. Da verlor ich die Fassung und stürmte in ihre Arme. In dieser Nacht war ich so glücklich, ich wollte nie wieder einschlafen.
Doch leider musste ich nach unserer mittternächtlichen Pizza in einem netten Lokal erfahren, dass meine eigentliche Gastfamilie, aufgrund ihrer verlorenen Wahl, keinen Grund mehr darin sah mich als Austauschschüler aufzunehmen. Marian jedoch schlug vor, dass ich auch, den restlichen Teil meines Jahres mit ihr verbringen könnte. Da gab es keine second thoughts und ich versuchte die Hiobsbotschaft zu verdauen. Diese war eine, der vielen Situationen, in der ich gelernt habe, dass nicht immer alles nach Plan abläuft und zu große Erwartungen einen vergessen lassen können, was man eigentlich schon hat.
Bei meiner Gastmutter zu Hause angekommen, lernte ich meine neue Zimmergenossin, einen schwarzen Labrador namens Scooter kennen, und wurde mit einem riesigen Michigan Plakat mit „Welcome Anna“ begrüßt.
Am nächsten Morgen ging es dann auch schon los mit der Integration in meine neue Familie. Marian, ihr ältester Sohn mit seiner Frau und ich fuhren 3 Stunden Down State auf eine Hochzeit. Dort lernte ich alles an Familie kennen, was möglicher war. Es war faszinierend zu sehen, dass egal wo du bist und wie du feierst, Liebe doch überall so wundervoll und wichtig ist.
Die kommende Woche war vollgeplant mit Schule und einer Überraschung, an die ich immer noch zurückdenken muss. Am Montag, wurde ich, nachdem wir mich in der Schule angemeldet haben, direkt in das Volleyball Varsity Team aufgenommen. So eine schnelle Integrierung, hätte selbst ich nicht erwartet. Die Mädels waren alle sehr nett und neue Freundschaften wurden gebildet.
Die Elk Rapids Highschool, war die beste Schule in der Region. Klein, aber fein, ausgestattet mit 400 Schülern und 40 Lehrern hat sie in diesem Jahr 14 Austauschschüler aus Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Finnland und Lettland begrüßt.
Mein Jahr bestand aus einer Anreihung von Überraschungen, guten und schlechten. Ich habe immer mein Bestes gegeben direkt Anschluss zu finden und bei allem mitzumachen, was ich zeitlich und körperlich schaffen konnte. An meiner Schule fühlte ich mich von Anfang an wohl. Dieser riesige Unterschied zwischen Kindern und Lehrern an deutschen Schulen und amerikanischen ist mir fast sofort aufgefallen. Dort wurdest du jeden Morgen begrüßt, wurdest ab dem ersten Tag in eine Lunch Gruppe aufgenommen und warst in der Lage mit jedem deiner Mitschüler und Lehrer in einem sehr freundlichen und höflichen Ton Gespräche zu führen. Auch das Verhältnis zwischen diesen zwei Instanzen war eher auf Freunde-Basis, als Lehrer-Schüler-Verhältnis.
Durch meine große Beteiligung im Schulsport und anderen außerschulischen Aktivitäten, hatte ich auch die Möglichkeit zu sehen, wie meine American friends ihre Freizeit verbringen. Nach Schule und Sport, bleibt einem meistens nicht einmal genug Zeit, um Hausaufgaben zu machen. Mein Körper musste sich schnell an den 5-6 Stunden Schlaf gewöhnen. Am Wochenende hätte ich dafür zwei Tage durchschlafen können. Ich habe jedoch gelernt, dass die intensivsten freundschaftlichen Bindungen im Team entstehen, denn man verbringt jeden Tag so viel Zeit miteinander, dass man kaum noch Zeit für sich selbst hat. Doch die Begeisterung für Sport, hat mich viele Male fasziniert.
Meine Gastmutter und ich hatten uns relativ schnell eingelebt und ein fantastisches Verhältnis aufgebaut. Ihre Familie nahm mich direkt so auf, als wäre ich schon immer ein Teil des Ganzen gewesen. Diese Liebe ist mir über die ganzen zehn Monate zuteil geworden und ich habe wortwörtliche eine zweite Familie gewonnen, die sehr groß, aber auch extrem liebevoll war. Besonders wenn ich an Weihnachten und die Familienfeste denke, wärmt sich mein Herz auf. Marian Saur, war nicht nur eine liebevolle Mutter für mich, sondern entwickelte sich zu einem Idol. Ich kenne keinen Menschen, der so glücklich und dankbar für alles ist wie sie.
Auch heute noch bin ich wahnsinnig dankbar für die Möglichkeit, die mir geboten worden ist und kann nur positiv und lächelnd zurückblicken. Ich habe gelernt, dass Amerikaner eine große Leidenschaft entwickeln können, sehr gerne Salzstangen und Brezel essen, sehr höflich und freundlich miteinander umgehen und eben nicht nur oberflächlich sein können. In diesem Sinne möchte ich jedem wärmstens ans Herz legen: Geht hinaus in die Welt und entdeckt, dass es überall Menschen gibt, die euch lieben und faszinieren werden.
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